Test: Pokémon Super Mystery Dungeon (3DS)


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Stellt euch vor, ihr wacht eines Tages in einer völlig fremden Welt auf und stellt voller Entsetzen fest: Ihr seid ein Pokémon! Ob sich dies nun als schreckliches Schicksal oder wahrer Wohlgefallen offenbart, erfahrt ihr in unserem Test zu Pokémon Super Mystery Dungeon.

Einmal selbst ein Pokémon sein, wer hat davon nicht schonmal geträumt? Statt jetzt die Hand zu heben, möchte ich euch lieber den Test vorstellen, der es dank unseres treuen Users Trinity94 pünktlich zum Release auf den Server geschafft hat. Vielen Dank!

 

Die Qual der Wahl

Im Gegensatz zum Vorgänger beginnt der vierte Teil der Pokémon-Mystery-Dungeon-Spielereihe wieder mit einem kurzen Psychotest, den man in ähnlicher Form aus den ersten beiden Ablegern kennt. Mit einer Handvoll einfacher Fragen ermittelt dieser eure Persönlichkeit, aufgrund derer das Pokémon bestimmt wird, in dessen Gestalt ihr im Folgenden erwacht. Außerdem wird euch ein Partner-Pokémon zur Seite gestellt, welchem ihr zu Beginn der Story begegnet. In Pokémon Super Mystery Dungeon müsst ihr euch jedoch nicht zwangsläufig mit den Charakteren arrangieren, die der Psychotest für euch vorsieht. Ihr könnt auch ganz bequem eure zwei Favoriten herauspicken, wobei euch dieses Mal mit allen sechs Starter-Trios
und Pikachu sowie Riolu satte 20 Charaktere zur Auswahl stehen.

20 an der Zahl

 

Wer bin ich und wenn ja, wie viele?!?

Ihr wacht also mit der obligatorischen Total-Amnesie in der Gestalt des gewählten/zugeteilten Pokémon auf und wisst außer eurem Namen nur noch, dass ihr eigentlich ein Mensch seid und offensichtlich nicht in eure neue Heimat gehört. Und während ihr gerade verzweifelt versucht, die Gedanken in eurem noch etwas matschigen Hirn zu sortieren, werdet ihr sogleich ohne Vorwarnung von drei Pokémon attackiert. Zusammen mit einem weiteren Pokémon flieht ihr in das Heimatdorf eures unfreiwilligen neuen Gefährten und bekommt unterwegs praktischerweise direkt die grundlegende Steuerung beigebracht. Zur Sicherheit nimmt der großzügige Fremde euch bei sich zu Hause auf und meldet euch außerdem in der örtlichen Pokémon-Schule an. Hier begegnet ihr zum ersten Mal eurem späteren Partner-Pokémon und bekommt täglich neue Lektionen über das Kampfsystem und alle weiteren nennenswerten Funktionen. Diese langwierige Tutorial-Sequenz zieht sich zu Beginn des Spiel leider wie ein halb-getrockneter Kaugummi, ist jedoch sehr angebracht bei der Fülle an Mechaniken und neuen Features. Außerdem benötigt die etwas widerspenstige und anfangs oft kontra-intuitive Steureung eine gewisse Eingewöhnungszeit.

Ein Beispiel: Der Itembeutel kann im Dungeon über das Ringmenü des X-Knopfes erreicht werden. Zudem bietet der B-Knopf durch kurzes Drücken einen Schnellzugriff auf die Items. Leider wird der B-Knopf im durchgehend gedrückten Zustand zum Sprinten verwendet, wodurch man unzählige Male statt des Sprintens versehentlich das Item-Menü aufruft. Sowohl die Start- als auch die Select-Taste teilen sich hingegen eine absolut marginale Funktion, die statt ihrer Doppelbelegung mit zwei Tasten weitaus besser im Ringmenü untergebracht wäre. In rundenbasierten Spielen wie Pokémon Super Mystery Dungeon ist sofortiger Zugriff auf Items ohnehin in keiner Weise irgendein besonderer Vorteil. Hätte man diese Funktion dennoch auf Biegen und Brechen unterbringen wollen, wäre die Start-/Select-Taste in jedem Fall die bessere Option gewesen.

X drücken zum Anvisieren, L gedrückt halten, Knopf für Angriff auswählen, 2 im Sinn, zum Quadrat...

 

Let's get ready to rumble!

Apropos Dungeons: Den Großteil der Zeit werdet ihr in diesen namensgebenden Höhlensystemen verbringen, die ihr nach Lust und Laune erforscht und durch die ihr euch mit eurem Forscherteam bis zum jeweiligen Ziel prügelt. Prügeln? Achja! Der wesentliche Aspekt der Pokémon-Mystery-Dungeon-Spiele ist das rundenbasierte Kampfsystem. Dabei gilt: Bewegt ihr euch, bewegen sich auch eure Gegner. Bleibt ihr stehen, bleiben eure Gegner stehen. Dasselbe gilt für das Ausführen von Angriffen. Jedem Pokémon stehen neben einem schwachen, typlosen Standard-Angriff noch bis zu vier weitere Attacken zur Verfügung, die mit steigendem Level erlernt werden können. Im Gegensatz zu den Hauptspielen der Pokémon-Serie haben diese Angriffe in Pokémon Super Mystery Dungeon jedoch keine festgelegten Werte, sondern steigen in klassischer Rollenspiel-Manier auf. Mit der Zeit erhöhen sich mit steigendem Gebrauch also die Stärke, Genauigkeit und AP (Angriffs-Punkte, sprich Verwendungshäufigkeit) der Attacken.

Pika---CHUUU!!!

 

Desweiteren enthält Pokémon Super Mystery Dungeon alle bis zur japanischen Veröffentlichung bekannten 720 Pokémon, die 18 Typen (inklusive Fee) sowie Mega-Entwicklungen. Sollten einem zudem die Pokémon der neueren Generationen gänzlich oder zumindest teilweise unbekannt sein, verschafft man diesem Problem nun Abhilfe, indem beim Anvisieren eines Gegners dessen Name sowie Typ(en) angezeigt werden. Dies ist für mich persönlich wohl die wichtigste Neuerung im Spiel.

Ein weiteres neues Feature sind die sogenannten Ringel und Sipale. Ringel sind sozusagen Armbänder, die man seinen Pokémon zum Tragen geben kann und sie erfüllen zwei Funktionen: Mit Ausnahme der Standard-Ringel verleihen sie dem Träger positive Eigenschaften wie beispielsweise +10/+15 Punkte für bestimmte Statuswerte, Wetter-Immunität, erhöhte Volltrefferchance, etc. Die zweite Funktion bezieht sich auf die Sipale. Ringel verfügen nämlich je nach Art über unterschiedlich viele Steckplätze/Slots für eben diese Sipale, welche dem Träger zusätzlich bestimmte positive Effekte verleihen. Anders als die Ringel sind Sipale jedoch an die Dungeons gebunden und können einerseits nur dort gefunden werden und verschwinden andererseits umgehend, sobald der Dungeon verlassen wird. Auf diese Weise wollte man vermutlich etwas Abwechslung in dieses neue System bringen, da man seine Ringel andernfalls einfach standardmäßig im Voraus mit den besten Sipalen ausrüsten würde. Gerade in den schwierigen Dungeons im späteren Spielverlauf wäre dies jedoch wünschenswert, da man ohne die richtigen Sipale oft nicht weit kommt.

 

Eine wahre Ohrenweide...ähm, Moment

Zur Präsentation ist zu sagen, dass sowohl die Oberwelt als auch die Dungeons wirklich fantastisch aussehen. Obwohl sich das grundlegende Prinzip hinter den zufallsgenerierten Systemen aus schmalen Gängen und weitläufigen Höhlen von Dungeon „A“ zu Dungeon „B“ kaum unterscheidet, kreiert die große Diversität verschiedener Biotope nicht zuletzt wegen der Liebe zum Detail jedes Mal eine neue sehenswerte Kulisse für die Odyssee des Forscherteams zu ihrem Zielort. Der durchgängie 3D-Effekt ist sehr gelungen, wobei mir persönlich der ständige Wechsel zwischen 3D-Bildschirm und der Karte auf dem unterem Bildschirm auf die Dauer zu anstrengend ist. Weitaus wirkungsvoller werden die Dungeons ohnehin von den maßgeschneiderten Musikstücken untermalt, die einem aufgrund ihrer Vielfalt auch nach langer Zeit nicht zum Hals raus hängen. Ganz im Gegenteil; man erwischt sich immer wieder dabei wie man am Kaffeetisch die Melodien der Oberwelt-Städte vor sich her summt.

Die Dungeons und 3D-Charaktermodelle sind sehr gelungen.

 

Schnapp' sie Dir alle!

Während man die ersten Dungeons noch ohne festes Team und mit wechselnden Partnern durchstreift, gründet man nach einiger Zeit zusammen mit seinem Partner-Pokémon ein Forscherteam, welches aus maximal drei Mitgliedern bestehen darf. Zu diesem Zweck kann man ab diesem Zeitpunkt zusätzliche Pokémon rekrutieren, um sie in Zukunft in Dungeons im eigenen Team kämpfen zu lassen. Hier kommt eine gleichermaßen wesentliche wie auch sinnvolle Neuerung ins Spiel: Die Connexussphäre. Mit ihrer Hilfe werden Beziehungen zwischen dem eigenen Forscherteam und anderen Pokémon sichtbar. In den Vorgängern mussten für Team-Mitglieder sogenannte Partnerareale gekauft werden, in denen diese fortan wohnten. Die Rekrutierung erfolgte im Dungeon, indem sich ein Pokémon zufällig nach einem Kampf dem eigenen Team anschließen konnte. Auf diese Weise war es sehr mühselig, die gewünschten Partner-Pokémon anzuheuern. In Pokémon Super Mystery Dungeon wird einem zwar nicht direkt die Arbeit abgenommen, allerdings kauft man nicht mehr die sprichwörtliche Snobilikat im Sack: Man erhält neue Partner-Pokémon, indem man Aufträge erfüllt. Erteilt einem ein Barschwa beispielsweise den Auftrag, seinen besten Freund Karpador zu retten, kann man davon ausgehen, dass man sich nach erfolgreicher Rettung fortan auf die tatkräftige Unterstützung der beiden Platscher-Brüder verlassen kann. Betrachtet man nun also die immense Zahl von 720 Pokémon, wird der Umfang des Spiels deutlich. Zwar schaltet man mitunter auch durch simple Gespräche in der Oberwelt neue Partner frei oder erhält mehr als zwei Pokémon für einen Auftrag, doch nach dem Ende der Story liegt der Erforschungsfortschritt der Welt nur bei zirka 30%. Pokémon Super Mystery Dungeon bietet also selbst nach Abschluss der Handlung mehr als reichlichen Umfang was die Anzahl der Dungeons und Team-Partner angeht.

Zum Dank für die Rettung schließen sich Pokémon Deinem Team an!

 

Zu viel des Guten

Die Story spielt in allen Pokémon-Mystery-Dungeon-Teilen eine große Rolle und im Falle von Pokémon Super Mystery Dungeon ist es nicht anders. Neben der mysteriösen Verwandlung des Protagonisten in ein Pokémon wird man als Spieler relativ bald über den Vorfall eines versteinerten Pokémon in Kenntnis gesetzt. Doch im verschlafenen Ruhenau, dem idyllischen Dorf mitten im Grün, kommt diese schreckliche Nachricht vorerst überhaupt nicht an. Stattdessen sorgt man sich über die mysteriösen Pokémon, die den Spieler zu Beginn des Abenteuers grundlos angegriffen haben und gruselt sich vor Geistergeschichten über das Schulgelände auf dem es nachts spuken soll. Die Story nimmt dabei jedoch im letzten Drittel ungeahnte Züge an und ist weitaus mitreißender und düsterer als man es von einem Pokémon-Abenteuer erwarten würde - für mich persönlich mit Abstand die beste Story aller bisherigen Pokémon-Spiele.

Big trouble in little Ruhenau

Doch leider stellt man sich hier selbst ein Bein: In den Spielen der Hauptreihe und in früheren Mystery-Dungeon-Teilen konnte man sich für gewöhnlich selbst entscheiden, wann man die storyrelevanten Missionen antritt. Wenn einem der Sinn nach Erkundungen oder Charakter-Training stand, konnte man dies frei nach Belieben tun. Anders ist es leider in Pokémon Super Mystery Dungeon. Hier werden nahezu alle Story-Missionen unausweichlich in festgelegten Intervallen initiiert. Es bleibt kaum die Zeit für Forschungsaufträge oder entspannte Erkundungen, weil sogleich die nächste Pflicht-Mission ansteht. Man darf mitunter nichtmal das Kangama-Café betreten, um die Belohnung des letzten erfüllten Auftrags entgegenzunehmen. Zwar erzeugt dies ein etwas realistischeres Zeitgefühl für die Abläufe der Handlung, allerdings weiß man dadurch oftmals gar nicht, wo einem der Kopf steht. Es ist schade, dass der Spieler mit einer solch qualitativ hochwertige Story geradezu zwangsernährt wird und dafür gleichzeitig jegliche Kontrolle und Entscheidungsfreiheit einbüßt. Vor allem, da die Handlung erst im letzten Teil so richtig an Fahrt gewinnt und die immensen Einschränkungen zumindest in Ansätzen rechtfertigt.

Es bleibt zu sagen, dass die Story je nach Spieltempo etwa 30 Stunden in Anspruch nimmt und dem Spieler danach tatsächlich die Zügel überlassen werden. Ein weiterer Wermutstropfen: Man kann sich und seine Partner-Pokémon auch in diesem Teil der Serie nicht vor Abschluss der Story entwickeln. Andererseits beeinflusst die Entwicklung hier in keiner Weise die Statuswerte und wäre ohnehin rein optischer Natur. Es wäre dennoch wünschenswert, dass dies in Zukunft geändert wird.

Der Schwierigkeitsgrad ist insgesamt recht ausgewogen. Die ersten Dungeons sind wirklich fair und werden erst mit der Zeit schwerer. Gegen Ende entwickelt sich das Ganze jedoch notgedrungen schon eher zu einer Stealth-Operation als wildem Rambo-Gemetzel. Man hat zwischen den Story-Sequenzen einfach zu wenig Zeit, um sein Team zur Vorbereitung hochzuleveln, wodurch die letzten Dungeons trotz vollem Inventar zu wahren Herausforderungen werden. Spätestens, wenn man einem Drifzepeli mit Unheilböen oder einem Seemon mit Hydropumpe gegenüber steht, nimmt man kreischend Reißaus...

 

Fazit

Wer Pokémon Mystery Dungeon oder die Pokémon-Serie per se mag, wird garantiert auf seine Kosten kommen. Selten war es so unterhaltsam, seinen eigenen Charakter und die Teampartner hochzuleveln, ihren Statuswerten und dem Moveset beim Wachsen zuzusehen und mit der Zeit immer stärkeren Gegenern das Licht auszuknipsen. Im Prinzip sind sich das Original und sein Crossover mit der Mystery-Dungeon-Serie also doch relativ ähnlich was ihren Reiz ausmacht. Pokémon Super Mystery Dungeon macht vor, wie eine gute Pokémon-Story zu sein hat und wie das Ganze präsentiert werden muss. Man merkt, dass die Entwickler nicht bloß einen neuen Aufguss der alten Teile im Sinn hatten und die Serie stattdessen an allen Ecken und Enden optimiert haben. Dieser Schuss ging bei der Steuerung und dem Storytelling allerdings etwas nach hinten los - beziehungsweise in den Ofen.

- André Weggebakker

Vielen Dank an Nintendo für die freundliche Bereitstellung des Downloadcodes.

Bewertung

8.0
Gesamt
-
Mehrspieler

Sehr gut


Kurzfazit

„Fesselnder Pokémon-Dungeon-Crawler mit Abstrichen in der Umsetzung, der trotzdem das „Super“ im Titel verdient. “

Redaktion

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