Test: Code Name: S.T.E.A.M. (3DS)


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Habt ihr schon gewusst? Abraham Lincoln wurde gar nicht am 15. April 1865 ermordet. Stattdessen ist er untergetaucht, um in einem alternativen Steampunk-London im 19. Jahrhundert die Organisation S.T.E.A.M. ins Leben rufen. Was es damit auf sich hat und warum ich im Review zu Codename S.T.E.A.M. für den Nintendos 3DS erst mal gewaltig Dampf ablassen muss, verrate ich euch in den folgenden Zeilen.

Auch wenn der allgemeine Tenor immer wieder verlauten lässt, dass sich Nintendo auf seine klassischen IPs ausruht, so ist das bei weitem nicht der Fall. Immer wieder ruft der Mario-Konzern neue Marken abseits von Zelda, Mario & Co ins Leben - wie unlängst geschehen im Falle von Codename S.T.E.A.M., welches jetzt für den Nintendo 3DS erscheint. Verantwortlich dafür ist die Strategie-Schmiede Intelligent Systems, die sich in erster Linie durch die Serien Fire Emblem und Advance Wars in den letzten Jahren einen Namen gemacht haben. In Codename S.T.E.A.M. bleibt man dem Strategie-Genre zwar treu, mischt allerdings Elemente aus einem Third Person-Shooter mit ins Spielgeschehen und erinnert dabei am ehesten an Valkyria Chronicles. So ganz kann man seine Wurzeln aber nicht verbergen - was auch nicht schlimm ist.

Wer sich über den konfusen Einstieg gewundert hat, darf den Grund dafür in der sehr konstruierten, aber durchaus unterhaltsame Geschichte von Codename S.T.E.A.M. sehen. Denn als Mitglied besagter Spezialeinheit dirigiert ihr eure Truppen über die Spielfelder, um unter der Leitung von Abraham Lincoln die Invasion von Aliens aufzuhalten. Zum Glück ist in der Spielwelt von Codename S.T.E.A.M. die Technik dank Dampfkraft soweit fortgeschritten, dass ihr viele Erfindungen wie Granatwerfer, Funkgeräte und dergleichen mehr eure Eigen nennen könnt, um damit der Alienbrut auf die Pelle zu rücken. Eure Gruppe an Kämpfern ist dabei bunt gemischt und umfasst Charaktere aus vielen bekannten Romanvorlagen. Der typische amerikanische Soldat, wie Henry Fleming aus Stephen Cranes Buch Die rote Tapferkeitsmedaille gehört dabei genauso mit zur Riege der illustren Gestalten, wie der mutige Löwe aus der Zauberer von Oz oder der kleine Tom Sawyer. Im Laufe des Abenteuers stoßen immer weitere Figuren zu eurer Truppe, maximal vier Soldaten dürft ihr jedoch nur pro Einsatz mit aufs Schlachtfeld nehmen. Wählt also weise, wen ihr für die nächste Mission benötigt.

Screenshot: Code Name S.T.E.A.M.

Dass Codename S.T.E.A.M. dabei auf ein ausführliches Briefing verzichtet und euch nur grob das Ziel der nächsten Mission verraten wird, ist dabei recht ärgerlich. Zwar gibt es eine automatische Empfehlung für die nächsten Charaktere, nach der ihr euch richten könnt. Gerade erfahrene Taktiker stellen sich ihre Truppe aber lieber selbst zusammen und müssen so immer wieder nach dem Start einer Mission feststellen, dass sie einen anderen Charakter oder eine andere Waffe besser hätten gebrauchen können. Denn neben seiner Primärwaffe, die sich allesamt voneinander unterscheiden, darf jeder Soldat noch mit einer Sekundärwaffe ausgerüstet werden. Hier gilt es taktisch vorzugehen und zu entscheiden, ob euch eine Heilpistole wichtiger als ein Shurikenwerfer ist oder ob ihr statt einem Dampfgewehr lieber eine Bananenschleuder einsetzt. Eine Bananenschleuder? Richtig, denn trotz der Bedrohung durch Aliens nimmt sich Codename S.T.E.A.M. nicht immer bierernst. Neben Granaten legt ihr also auf Wunsch auch Bananenschalen aufs Schlachtfeld, damit eure Gegner ausrutschen und ihren Zug unterbrechen müssen. Oder ihr schickt ihnen Roboter-Pinguine entgegen, die bei der ersten Berührung explodieren.

Das alles täuscht aber nicht darüber hinweg, dass es spielerisch in Codename S.T.E.A.M. durchaus anspruchsvoll zur Sache geht. Um euch über das in Kästchen aufgeteilte Spielfeld bewegen zu können, ist der namensgebender Dampf unerlässlich. Pro Feld verbraucht eure Einheit einen Steam-Punkt. Aus der Third Person-Perspektive bewegt ihr so eure Charaktere über das Spielfeld. Ihr späht vorsichtig um die Ecken, verschanzt euch hinter Barrikaden und sammelt Münzen und Zahnräder, um neue Waffen und Boiler freizuschalten, die ihr ausrüsten und somit euren Vorrat an Dampf steigern oder eure Verteidigung erhöhen könnt. Wollt ihr die Aliens attackieren, verbraucht ihr je nach gewähltem Kaliber erneut Dampf. Große Wummen brauchen dabei schon einmal bis zu vier Steam-Punkte, während kleinere Waffen mit einem oder zwei Steam-Punkten zu Buche schlagen. Geht euch der Dampf aus, ist keine Aktion mehr möglich. Zum Glück dürft ihr bis zu einer ausgeführten Aktion (Waffe benutzen, Medipack sammeln, etc.) bereits gegangene Felder wieder zurückgehen, ohne dass euch der Dampf gleich abgezogen wird. Ihr könnt somit das Spiefeld ein wenig auskundschaften und eure Truppen möglichst effektiv platzieren.

Wer noch genug Dampf übrig und die richtige Waffe gewählt hat, kann seine Truppenmitglieder auch in die sogenannte Wachposition bringen. Diese sorgt dafür, dass ihr eure schussbereite Wumme im Anschlag habt und das Feuer eröffnet, sobald sich ein Alien vor eure Flinte begibt. So schützt ihr nicht nur eure Partner, sondern könnt auch angreifende Aliens mitunter komplett ausschalten. Da euer Dampf-Tank übrigens immer größer ist als die Menge an Dampf, die euch pro Runde wieder aufgefüllt wird, ergibt sich dadurch eine weitere taktische Komponente, die das Spiel spannend und herausfordernd macht. Wer eine Kampagne wiederholen möchte, darf sich dabei übrigens beim erneuten Durchgang wahlweise weiteren Herausforderungen stellen. Lasst entweder alle Energieleisten unsichtbar werden, einmal gegangene Dampf-Punkte sofort verschwinden und nicht wieder erstattet werden oder versucht euch generell an stärkeren Gegnern. Belohnt wird dies beim Erfolg mit einem Punktemultiplikator, der euch schneller an neue Waffen bringt. Auch das Absolvieren einer Karte in einer bestimmten Anzahl von Zügen sowie der Agenten-Bonus, wenn alle Mitglieder eurer Truppe am Leben geblieben sind, wirken sich positiv auf eure Bewertung aus.

Screenshot: Code Name S.T.E.A.M.

Geht doch mal einer eurer Mitstreiter zu Boden, habt ihr ihn nicht wie bei Fire Emblem komplett verloren, sondern dürft in der nächsten Kampagne schon wieder auf seine Dienste zurückgreifen. Damit es soweit aber gar nicht erst kommt, gilt es eure Truppen taktisch geschickt zu platzieren und auch die Spezialfähigkeiten zu nutzen, die jedem Charakter einmal pro Karte zur Verfügung stehen. Unabhängig vom verfügbaren Dampf könnt ihr so noch einmal beispielsweise allen Gegnern im Umkreis Schaden zufügen oder verwundete Kollegen heilen. Erschwert wird euch eure Aufgabe dadurch, dass quasi jederzeit gegnerische Truppen in bestimmten Teilen der Karte respawnen können. Dies bringt nicht nur teils eure Taktik durcheinander, sondern kann auch ganz schön unfair werden. Da die KI meist generell gut agiert und entdeckte Einheiten von euch gezielt verfolgt, werdet ihr bei ungestümen Vorgehen bereits auf den ersten Spielfeldern ein paar Mal ins Gras beißen, bevor ihr euch mit den einzelnen Alienformationen vertraut gemacht und eine Taktik entwickelt habt, wen ihr wie am besten ausschaltet. Sichtbare Schwachpunkte bei der außerirdischen Brut helfen euch dabei. Da ihr mitunter gegen übermächtige Gegner und riesige Frostkanonen antreten müsst, die euch über das halbe Spielfeld mit Projektilen befeuern können, ist das auch durchaus notwendig. Meist müsst ihr in den Missionen den vorgegebenen Zielpunkt erreichen. Mal gilt es aber auch eingefrorene Passanten zu finden und mittels Dampf aufzutauen, die Queen Victoria unbeschadet aus dem Buckingham Palast zu geleiten oder in einem riesigen Kampfroboter namens A.B.E. aus der Ego-Perspektive ein Alien zu verdreschen.

Besitzer eines New Nintendo 3DS dürfen die Fire Emblem-Amiibos ins Spiel integrieren und diese Charaktere alternativ im Spiel einsetzen. Wer lieber lokal oder online gegen einen anderen Spieler antreten will, kann dies in drei verschiedenen Spielmodi machen. Während der Kampf als A.B.E.-Roboter eher kurzweilig für Spaß sorgt, dürfen in den anderen taktischen Gefechten die bekannten Karten gespielt werden - allerdings mit einem strengen Zeitlimit für den eigenen Zug. Das mag eine nette Dreingabe sein, in erster Linie macht Codename S.T.E.A.M. aber immer noch dem Einzelspieler Spaß. Dass gerade ein auf diesem Gebiet so erfahrener Entwickler wie Intelligent Systems auf ein ordentliches Mission Briefing oder eine Übersichtskarte verzichtet hat, schmerzt dabei am meisten.

Technisch ist das Spiel dagegen gut gelungen. Der Comic-Look im Stil der frühen Superhelden-Vorlagen aus den 30er Jahren mag nicht jedem zusagen, allerdings wurde der Stil konsequent umgesetzt. Dies äußert sich unter anderem in großen Lettern "Zoom" oder "Whack", die während die Story erzählt wird eingeblendet werden. Die Animationen sind gelungen, die einzelnen Karten kreativ und abwechslungsreich gestaltet. Liebe zum Detail steckt unter anderem in den vielen Werbetafeln, die in vielen Stages die Vorteile des neumodischen Dampfs preisen und die optional gelesen werden können. Während des gegnerischen Zugs bleibt die Kamera jedoch teils ungünstig vor großen Objekten stehen und sieht nicht schön aus - das hätte man verhindern können. Immerhin wurde durch ein bereits erhältliches Update die Möglichkeit nachgereicht, die gegnerischen Züge schneller ablaufen zu lassen und damit Zeit zu sparen. Gelungen ist auch die englische Sprachausgabe, selbst wenn sich die Samples eurer Kämpfer bald wiederholen. Gepaart mit der treibenden und gut hörbaren Musikuntermalung, deren Thema beim eigenen sowie beim Zug der Feinde stets wechselt, und die mal rockig, mal elektronisch angehaucht aus den kleinen Boxen des 3DS kommt, wird hier der technische Gesamteindruck gut abgerundet. Der 3D-Effekt ist eine nette Dreingabe und ordentlich gelungen, ist für das Spielerlebnis jedoch nicht essentiell.

Fazit

Bereits nach der ersten Stunde hatte mich Codename S.T.E.A.M. gefesselt. Die Charaktere sind spannend und nicht unbedingt alltäglich, selbst wenn sie in der Geschichte selbst nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die unterschiedlichen Waffen und die taktischen Feinheiten bringen eine gewisse Würze ins Gameplay. Das Steampunk-Setting ist unverbraucht und wartet mit einigen interessanten Ideen auf. Als Fire Emblem-Fan konnte mich die Mischung aus Strategie und Third Person-Shooter direkt begeistern. Wer mit beiden Genres nichts anfangen kann, sollte besser die Finger von dem Spiel lassen. Wer aber trotz einiger Schwächen im Gameplay ein Auge riskieren will und offen für neue Ideen ist, kann mit Codename S.T.E.A.M. etliche Stunden seinen Spaß haben.

Bewertung

8.0
Gesamt
6.0
Mehrspieler

Sehr gut


Kurzfazit

„Fordernder Strategie/Third Person-Shooter-Mix von den Fire Emblem-Machern.“

Markus Schnittka

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