Test: Bayonetta (Wii U)


  • Test

Anfang 2010 erschien das Hack'n'Slay Bayonetta für die PS3 und Xbox 360. Wii-Besitzer gingen zu dieser Zeit leer aus. Knapp viereinhalb Jahre später wendet sich nun das Blatt und der zweite Teil des wenig erfolgreichen Spiels erscheint exklusiv für Wii U. Auch das Original wird diesen Monat für Nintendos Heimkonsole neu aufgelegt. In unserem Test verraten wir euch, ob das Spiel in Würde gealtert ist, oder ob ihr das Geld lieber in einen anderen Titel stecken solltet.

Wenn man so darüber nachdenkt ist der kommerzielle Flop von Bayonetta zu seiner Zeit kein Wunder gewesen. Schließlich ist das Spiel so extrem abgedreht, anspruchsvoll und japanisch, dass es wohl nur eine kleine Schnittmenge an Leuten gibt, die daran Gefallen finden dürfte.

Wirr aber interesssant

Der ganze Irrwitz fängt schon bei der Geschichte an. Es geht um die Umbra-Hexe Bayonetta, die 500 Jahre lang in einen Sarg eingesperrt wurde und zu Beginn keinerlei Erinnerung an ihre bewegte Vergangenheit hat. Erst nach und nach kommen ihr Einzelheiten ins Gedächtnis, die gegen Ende ein großes Gesamtbild ergeben. Der Erzählungsstil des Spiels ist sehr chaotisch, weshalb man gerade in der ersten Spielhälfte die Geschehnisse um einen herum kaum begreifen kann. Hat man sich allerdings erst einmal an diesen speziellen Spielfluss gewöhnt taucht man mehr und mehr in die Geschichte ein. Dramaturgisch schwankt Bayonetta stark im Niveau. An sich wird eine sehr ernste Handlung erzählt, die den ewigen Kampf zwischen den Umbra-Hexen und den Lumen-Weisen erzählt. Dass Bayonetta in diesem Konflikt eine spezielle Rolle spielt sollte klar sein, mehr soll an dieser Stelle allerdings nicht verraten werden. Das Geschehen an sich wird vor allem zum Ende hin sehr dramatisch, zumindest theoretisch. Praktisch werden viele Zwischensequenzen so absurd, dass die Ernsthaftigkeit stark zu wünschen übrig lässt. Es ist deutlich erkennbar, dass sich das Spiel zu keiner Zeit ernst nimmt, was dem einen oder anderen auch Gefallen könnte und durchaus konsequent durchgesetzt wird. Manch anderer wird sich hingegen noch eine etwas tiefere Ebene wünschen, die aus der taffen Bayonetta eine vielschichtige Person machen würde. Diese Idee wurde an einigen Stellen kurz angeschnitten, aber nicht konsequent umgesetzt, weshalb die Geschichte letzten Endes stark vom persönlichen Geschmack abhängt. Dass einige Zwischensequenzen allerdings nur in einer Art vertonter Standbilder daherkommen lässt das Spiel etwas unvollkommen wirken, zumal der Wechsel zwischen richtigen Cutscenes und einzelnen Grafiken nicht konsequent wirkt.

Hart aber fair

Die Handlung wird euch in Kapiteln erzählt, welche nochmals in einzelne Verse aufgeteilt sind. Am Ende jedes Kapitels erhaltet ihr, je nach Leistung, eine Trophäe . Diese reichen von Stein bis reinem Platinum, wobei euch bei Letzterem kaum Fehler unterlaufen dürfen. Allgemein ist das Spiel schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad wirklich herausfordernd. Wer nicht lernt punktgenau auszuweichen um die Hexenzeit (eine Art Zeitlupe, in der ihr den Gegnern viele Schläge ohne Gegenwehr verpassen könnt) zu aktivieren, der wird sehr oft ins virtuelle Gras beißen. Auch die Ausrüstung spielt eine signifikante Rolle in der Schlacht. Ihr könnt eure Füße und eure Arme jeweils mit eigenen Waffen ausrüsten, was eine große Vielfalt an Spielmöglichkeiten zulässt. So seid ihr beispielsweise in der Lage eure Gegner mit einer langen Peitsche zu schlagen und seid mit Flinten an den Füßen gleichzeitig für den Fernkampf bewaffnet. Auch neue Fähigkeiten und eine Vergrößerung der Energieleiste könnt ihr euch nach und nach im Shop erwerben. Alle Items beim ersten Durchgang zu sammeln ist nicht machbar, weshalb es sich lohnt mehrmals auf die Reise mit der Hexe zu gehen.

Das Kampfsystem von Bayonetta gehört zu den ausgefeiltesten des gesamten Genres, denn es vereint ein tiefgehendes Spielprinzip mit punktgenauer Steuerung. Die Magieleiste, mit der ihr, wenn sie gefüllt ist, mächtige Folterangriffe ausführen könnt und die besagte Hexenzeit benötigen zur Aktivierung viel Geschick. Denn ohne ständiges Ausweichen werdet ihr diese kaum erhalten und so schnell und oft den Tod finden. Vergleicht man die Kämpfe mit denen eines God of War 3, so fällt auf dass die Hexe deutlich flinker auf den Beinen ist als Kratos. Bayonetta spielt sich demnach eine ganze Ecke dynamischer, was eigentlich auf Kosten der Übersicht gehen müsste. Zwar muss man sich an einigen Stellen schon sehr konzentrieren um alle Charaktere im Auge zu behalten, doch selbst auf dem Gamepad wird das Spiel nicht vollkommen unübersichtlich. Der einzige wirkliche Kritikpunkt ist an dieser Stelle die manuelle Kameraeinstellung. Sollte das Spiel einem nicht den gewünschten Winkel anbieten, so kann man seinen Charakter schnell aus den Augen verlieren, denn das Ausrichten der Kamera mit dem rechten Analogstick ist so unpräzise, dass man es lieber gleich lassen sollte.

 Bei den Kämpfen kann es teilweise ein wenig chaotisch werden.

Kloppen bis der Arzt kommt

Wer viele anspruchsvolle Rätsel in Bayonetta erwartet könnte enttäuscht werden. Diese beschränken sich auf ein Minimum und sind in der Regel innerhalb weniger Minuten und ohne große Anstrengung zu bewältigen. Das muss noch lang nicht schlechtes bedeuten, denn während in einem God of War an manchen Stellen der Spielfluss durch die hohe Anzahl an Denksportaufgaben merklich gestört wird besinnt sich Bayonetta zumeist auf den Kern: die Kämpfe. Ein paar mehr Rätsel hätten dennoch nicht geschadet. Zum Glück wird das Spiel mithilfe abwechslungsreicher Missionen aufgelockert. Mal reitet ihr auf einer Kanone und bahnt euch euren Weg durch eine Vielzahl von Gegnern und mal seid ihr in alter Rail-Shooter-Manier auf eurem Motorrad unterwegs. Die Bossgegner sorgen außerdem für weitere Abwechslung, zumindest teilweise. Viele ähneln einander, sowohl optisch als auch spielerisch, zu stark, als dass jeder Zwischengegner zu beeindrucken wüsste. Auch hier gilt, dass anfang und Ende grandios umgesetzt wurden, während die Mitte etwas an Ideenreichtum mangelt. Der zehnte 20 Meter große Gegner ist eben nicht mehr so aufregend wie der erste, dem man begegnet ist.

Beispielhafte Anpassung ans System

Steuerungstechnisch bieten euch die Entwickler neben der klassischen Button-Belegung auch die Möglichkeit das Spiel komplett auf dem Touchscreen zu spielen. Diese Alternative funktioniert aber vor allem in hektischen Kämpfen und in den Jump'n'Run Passagen nur sehr bedingt. Einen Knopf drückt man einfach schneller, als dass man eine Geste ausführt. Nichtsdestotrotz ist es lobenswert, dass Platinum Games diese Alternative anbietet. Die gesamte Anpassung an das System kann man als vorbildlich bezeichnen. An den Miiverse-Support wurde genauso gedacht, wie die vollständige Spielbarkeit auf dem Gamepad, was überraschend gut funktioniert. Technisch nahm man sich zum Glück die Xbox 360-Version des Spiels als Muster, denn die PS3-Version hatte seinerzeit mit starken Framerate-Einbrüchen und matschigen Texturen zu kämpfen. Flüssig läuft der Ableger auf Nintendos Flaggschiff zwar nicht durchgehend, aber er bleibt zumindest jederzeit spielbar. Unschön sind diese Ruckler dennoch. Grafisch sieht man dem Titel sein Alter an. Schon vor vier Jahren gehörte Bayonetta nicht unbedingt zu den hübschesten Vertretern, was an dem durchgehenden Explosionsfeuer liegt, das einem auf dem Bildschirm geboten wird. Zum Glück fällt einem im Eifer des Gefechts die ein oder andere unansehnliche Textur nicht auf. Bayonetta will mit übertriebener Darstellung beeindrucken, was auch meistens klappt.

Das Effektgewitter auf dem Bildschirm entsteht leider zu Lasten der Grafik und teilweise der Framerate.

Die Umgebung an sich wirkt in den ersten Spielstunden recht trist. Grautöne dominieren die Stadt Vigrid zunächst. Dennoch werden gekonnt Highlights gesetzt. Es kommt vor, dass man sich urplötzlich in einer utopischen Welt wiederfindet, die von einem blauen Himmel und grünem Gras dominiert wird. Vor allem gegen Ende hin sprengen die Entwickler jegliche Vorstellungskraft, wodurch man ihren durchgeknallten Fantasien hilflos ausgeliefert ist. Man weiß,zum Schluss einfach nie, was als nächstes passiert, oder wo man sich in fünf Minuten befinden wird.

Wer Spiele gerne mehrmals durchspielt bekommt bei Bayonetta genau das, nach dem er verlangt. Zahlreiche sammelbare Gegenstände, wie Umbra-Tränen, Bücher, und gut versteckte Herausforderungen warten darauf von euch aufgefunden zu werden. Wer zudem jede Waffe und jede Technik ausprobieren möchte, der kommt um mehrfache Durchläufe nicht herum. Beim ersten Mal werdet ihr, je nach Anzahl der Tode, acht bis 15 Stunden brauchen, was für einen Vertreter dieses Genres ein normaler Durchschnitt ist. Länger dürfte das Spiel gar nicht sein, denn sonst wären nur unnötige Längen enthalten.

Fazit

Bayonetta ist ein Wechselbad der Gefühle. Viele könnte der recht abgedrehte Humor, die wirre Story oder das fast obszöne Verhalten der Protagonistin abschrecken. Wer sich darauf einlässt bekommt jedoch ein sehr gutes Hack'n'Slay geboten, das in den Kämpfen zu dem absolut besten gehört, was dieses Genre zu bieten hat. Lediglich die Bossgegner kratzen ein wenig am grandiosen Gameplay. Jeder, der sich auf der Wii U endlich mal wieder ordentlich durch Horden von Gegnern hauen will wird mit Bayonetta viel Spaß haben, zumal das Spiel im eShop nicht viel kosten wird.

Vielen Dank an Nintendo für die Bereitstellung eines Download-Codes von Bayonetta! Die Bilder in diesem Artikel stammen von Nintendos Presseserver!

Bewertung

8.5
Gesamt
-
Mehrspieler

Sehr gut


Kurzfazit

„Abgedrehtes Hack'n'Slay mit nahezu perfektem Kampfsystem und nicht immer grandiosen Bossen.“

Amin Kharboutli

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