Test: World of Goo (Switch)


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Ursprünglich sollten alle drei bekannteren Spiele der Tomorrow Corporation zum Launch der Nintendo Switch zur Verfügung stehen, doch der Release verzögerte sich kurzfristig. Nicht schlimm, denn schon zwei Wochen nach dem Launch von Nintendos Hybrid-Konsole war es soweit: World of Goo, Little Inferno und Human Ressource Machine stehen zum Download bereit. Wir haben uns natürlich gleich auf die Titel gestürzt und präsentieren mit unserem Test zum klebrigen Titel World of Goo, ob das Game noch genauso viel Spaß macht wie im Jahr seiner Erstveröffentlichung 2008.

Selten gab es bereits im Vorfeld einen derartigen Hype um einen WiiWare-Titel wie im Falle von World of Goo anno 2008. Beim „Independant Games Festival 2008" sackte das Spiel den Award in den Kategorien „Design Innovation" sowie „Technical Excellence" ein und aktuell gab es eine Auszeichnung bei den „Spike's Video Game Awards". Wurde hier mit viel Aufwand ein Projekt entwickelt, welches von Beginn an auf Erfolg ausgelegt war? Mitnichten. Hinter den Entwicklern von „2D Boy", wie sie sich damals nannten, verbargen sich gerade einmal zwei Leute: Kyle Gabler und Ron Carmel hatten gut zwei Jahre zuvor in ihren Kaffeepausen, als sie noch bei Electronic Arts beschäftigt waren, das erste Konzept zum Spiel erdacht, welches unter dem Namen Tower of Goo als PC-Demo umgesetzt wurde. Mit einem umfang- und abwechslungsreicheren Gameplay ausgestattet wartete später mit World of Goo das fertige Produkt der mittlerweile als Independant Entwickler arbeiten Genies. Doch was verbirgt sich nun genau hinter diesem Titel und was um alles in der Welt hat es mit „Goo" überhaupt auf sich? Und kann das Spiel auch fast zehn Jahre später auf der Switch noch überzeugen?

Der Schleim ist überall

Goo ist umgangssprachlich ein Begriff für „klebriges Zeug" und trifft damit den Nagel schon auf den Kopf. In World of Goo müsst ihr ganz simpel ausgedrückt viele kleine Goo-Bälle zu Konstruktionen zusammenfügen, um so die Absaugröhre in jedem Level zu erreichen. Denn durch diese Röhre gelangen eure übrigen, nicht verbauten Goo-Bälle in die Freiheit und dahin wollen wir die putzigen Klebe-Kugeln ja auch bringen, oder? Mit der Pointerfunktion des rechten Joy-Controllers sucht ihr euch die zu verwendenden Goo-Bälle aus und bestimmt, wo sie angebracht werden sollen. Die Kamera scrollt dabei automatisch mit. Eine Zoom-Funktion sowie eine optionale Steuerung der Kamera über den Analogstick wären sicher angenehm gewesen, das ist allerdings lediglich Kritik im Detail. Beim Bauen gilt es zu beachten, dass Konstruktionen aus klebrigen Bällen natürlich nicht unbedingt richtig standfest sind. Die Physik in World of Goo ist dabei beeindruckend und fordert den Spieler ein ums andere Mal. Immer wieder muss bedacht werden, ob eure Konstruktion sich selbst tragen kann oder ob der nächste angeklebte Goo-Ball eventuell alles aus dem Gleichgewicht bringt und in sich zusammenstürzen lässt. Die teils hoch in den Levels angebrachten Röhren verlangen dabei Etliches an baulichem Geschick von euch ab.

World of Goo - Spielprinzip

Damit allerdings nicht genug, denn dürft ihr in den ersten Stages noch relativ unbeschwert bauen und das Verhalten der Goo-Bälle kennenlernen, stellen sich euch bald schon die ersten Hindernisse in den Weg. Große Abgründe gilt es mit Brücken zu überwinden, Windmühlen fordern euch genauso wie Spitzen und Stacheln, an denen eure Goo-Bälle unweigerlich zerplatzen und somit für immer verloren sind. Um euch eure Aufgabe zu erleichtern, stehen bald schon verschiedene Arten an Goo-Bällen zur Verfügung. Zu den normalen grauen Schleimkugeln, die sich nur einmalig verwenden lassen, gesellen sich in den späteren Stages noch weitere Arten dieser klebrigen Spezies. Weiße Goo-Bälle benötigen nur einen Ankerpunkt und können somit wie eine Art Faden verknüpft werden, woraufhin sie wie ein Seil nach unten hängen. Grüne Schleimkugeln lassen sich mehrfach verwenden und sind somit für einen Transport über eine längere Strecke bestens geeignet. Ihre roten Kollegen dagegen ähneln Zündhölzern und sind in der Tat schnell Feuer und Flamme, wenn ihnen die Hitze zu Kopf steigt. Kettenreaktionen zum Auslösen von Explosionen sind in solch einem Fall genauso gefragt wie auf der anderen Seite das Vermeiden des Feuers, um die Entzündung zu verhindern. Gelbe Goo-Bälle dagegen können ganz schön anhänglich sein und haften an allen Oberflächen. Im Laufe des Spiels kommen noch weitere Varianten auf euch zu, die jeweils sinnvoll eingesetzt werden müssen und die allesamt absolut gelungen sind, nehmt nur die Skelett-Bälle als Beispiel. Vom Konzept her hat World of Goo also alles, was ein guter Puzzler braucht.

Doch der Titel bietet noch mehr. Pro Level wird euch von Beginn an angegeben, wie viele der putzigen Schleimkugeln ihr in die Absaugröhre befördern müsst. Habt ihr diese Vorgabe erfüllt, könnt ihr das Level abschließen und zur nächsten Herausforderung antreten. Eine Abrechnung jeder Stage gibt euch dabei nicht nur Auskunft darüber, wie viele Goo-Bälle ihr wirklich gerettet habt, sondern auch wie viele Züge ihr dafür gebraucht habt und wie viel Zeit dabei verstrichen ist. Über die Vorgabe hinaus gerettete Schleimkugeln werden vermerkt und in der „World of Goo Corporation" gespeichert. In diesem Modus lässt sich aus den Goo-Bällen in einer Art freiem Spiel ein möglichst hohes Gebilde erstellen, wobei hier an die Nutzung von Online-Funktionen gedacht wurde. Dank der Internetverbindung eurer Switch erscheint noch während des Bauvorgangs nicht nur eure eigene Wolke mit der Angabe der erreichten Höhenmeter, sondern auch die erreichten Ergebnisse anderer Spieler samt Länderangabe werden dargestellt, was einer virtuellen Rangliste gleich kommt und für zusätzliche Motivation sorgt. In jeder Stage gibt es neben der ursprünglichen Rettungsaufgabe noch das so genannte ZKV, das „zwingende Kriterium für Vollständigkeit". Dies kann die Beendigung des Levels innerhalb einer bestimmten Zeit oder mit einer geringen Anzahl an Zügen beinhalten oder ihr müsst einfach eine vorgegebene Anzahl an Goo-Bällen retten, die wesentlich höher liegt als die Mindestvorgabe. Für Langzeitmotivation ist also gesorgt, denn in jeder Stage das ZKV zu erreichen und dafür eine kleine rote Flagge in der Levelauswahl zu erhalten gestaltet sich mitunter als ungemein herausfordernd und anspruchsvoll.

World of Goo - grüne Bälle fliegen hoch

Dabei ist das Spiel an sich absolut simpel gehalten und erklärt sich quasi von selbst. Binnen Sekunden habt ihr das Spielkonzept verstanden und seid gleich damit beschäftigt, die ersten Konstruktionen zu erstellen. Zunehmend werdet ihr mit neuen Goo-Bällen sowie Hindernissen in den einzelnen Stages vertraut gemacht. Tipps lassen sich dabei jeweils vom geheimnisvollen Schildermaler holen, der in jedem Level das ein oder andere Hinweisschild aufgestellt hat. Die zu lösenden Aufgaben werden nach und nach natürlich immer komplexer und irgendwann ist die Lösung vielleicht nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar. Doch wer etwas experimentiert findet früher oder später auch seinen Weg ans Ziel. World of Goo wirkt niemals unfair und ihr ärgert euch das ein oder andere Mal auch über euch selbst, da die Lösung im Prinzip die ganze Zeit auf der Hand lag, ihr nur nicht gleich von Anfang an darauf gekommen seid. Hinzu kommt, dass die einzelnen Stages unglaublich abwechslungsreich geraten sind. Die Rätsel wiederholen sich im Prinzip kein einziges Mal, sondern erfordern immer wieder ein anderes Vorgehen und neue Strategien. Wo andere Puzzler bei einem neuen Spielelement mindestens zehn Stages lang darauf herumreiten, wandelt World of Goo die neuen Elemente einfach ab und ersetzt sie, so dass ihr den Eindruck habt, ihr hättet es mit einer nie enden wollenden Wundertüte voller toller Gameplay-Ideen zu tun.

Irgendwann neigt sich dieser Spaß allerdings dann doch dem Ende. Fünf verschiedene Welten mit jeweils knapp über zehn Stages gibt es, wobei das fünfte Kapitel quasi nur noch ein Bonus mit besonders anspruchsvollen Rätseln ist. Kapitel vier birgt ebenfalls eine Neuerung, denn hier wurde das Gameplay vom Ansatz her stark verändert und erinnert in gewisser Weise an Super Mario Galaxy – mehr soll allerdings an dieser Stelle nicht verraten werden. Geübte Puzzler werden nach guten fünf bis sechs Stunden die Rätsel geknackt haben und erkennen, wie sich die zwischen den Kapiteln gesponnenen Storyfragmente zusammensetzen. Doch werdet ihr auch nach dieser Spielzeit den Controller noch lange nicht aus der Hand legen. Stattdessen versucht ihr die Levels schneller und mit mehr Extra-Goo zu lösen, um eure Konstruktion im freien Modus möglichst hoch bauen zu können. Wer an einem Rätsel übrigens verzweifelt, muss den Controller nicht gefrustet in die Ecke feuern. Ihr dürft nämlich eine begrenzte Anzahl an Levels überspringen und später zurückkehren, womit das Festsitzen an einer bestimmten Stelle ausgeschlossen ist. Ebenfalls eine nette Idee: Ein zweiter Spieler kann sich in das Game einklinken und ihr dürft kooperativ die Stages lösen. Somit können nicht nur Eltern ihrem Nachwuchs helfen, sondern auch Freunde im kleinen Kreis möglichst große Mengen Goo gleichzeitig bewegen und so versuchen das ZKV zu erlangen.

Schleim mit Stil

Bei vielen Puzzlegames spielt die Optik ja eher eine untergeordnete Rolle – nicht so bei World of Goo. Hier ist die Optik und der gesamte Stil Teil des Konzepts, welches erst als Ganzes das Kunstwerk darstellt, das World of Goo zweifelsohne geworden ist. Der Artstyle des Spiels erinnert weitestgehend an Tim Burtons „Nightmare before Christmas", ist in dieser Form absolut einzigartig und mittlerweile auch zu einer Art Markenzeichen der Entwickler geworden, denn deren spätere Spiele sind ebenfalls stilistisch in diesem Rahmen gehalten. Mitunter grotesk wirkende Figuren erzählen in den wenigen Zwischensequenzen die Hintergründe der „World of Goo Corporation", wobei sich entsprechend gestylte Spielelemente auch in den einzelnen Stages wiederfinden lassen. Die in sich stimmig gestalteten Levels mit den klaren und teils stark kontrastreichen Farben passen ebenfalls wie die Faust aufs Auge. Alles wirkt in sich perfekt und komplett durchdacht. Dass dabei noch ein gewisser subtiler Humor mit einfließt und es nebenbei versteckte Kritik am Konsumdenken unserer Gesellschaft gibt sowie der Fixiertheit auf die moderne Technik wie PC und Internet mit einem Seitenhieb auf Absender von Spam-Mails, rundet den ohnehin schon mehr als positiven Eindruck gelungen ab.

World of Goo - Brücke mit Ballons

In Sachen Sound wurde ebenfalls viel Aufwand investiert. Die teils hektischen, stimmungsvollen und stets einzigartigen Kompositionen rufen euch ein weiteres Mal den Namen „Tim Burton" ins Gedächtnis, während ihr euch davon beschallen lasst und dabei die starken Kompositionen genießt. Hinzu gesellen sich optimal abgestimmte Soundeffekte. Selbst das Zusammenstürzen eurer Konstruktion ist durch den tollen Sound der Goo-Bälle eine kleine Freude. Geräusche, wie die eines Luftballons, wurden absolut realistisch und niedlich zugleich umgesetzt und lassen erkennen, dass bei World of Goo mit unglaublich viel Liebe gearbeitet wurde. Bis ins kleinste Detail wurde alles perfekt durchdacht, um den Spieler nicht nur in Sachen Gameplay zu verwöhnen, sondern auch technisch zu überzeugen.

Bei der Umsetzung für die Switch wurde ebenfalls sauber gearbeitet. Technisch reizt der Titel Nintendos mobile TV-Konsole sicherlich nicht einmal ansatzweise aus. Dennoch wirkt alles sauber und wie aus einem Guss. Die Steuerung ist im Gegensatz zur Wii nicht mehr mittels Pointerfunktion umgesetzt, sondern basiert auf dem eingebauten Gyrosensor der Joy-Cons. Da dieser wesentlich präziser funktioniert als damals noch in der Wiimote, ist auch eine Steuerung ohne Pointer sehr exakt möglich. Zudem könnt ihr die Ausrichtung eures Cursors schnell per Tastendruck neu zentrieren, sodass dies den Spielfluss selbst in keiner Weise stört. Ob ihr übrigens mittels einzelnem Joy-Con, an den Halterungen angebrachten Joy-Controllern oder gar mit dem Pro Controller spielt, ist komplett euch selbst überlassen. Jede Controllervariante konnte in unserem Test überzeugen.

Fazit

Abschließend sei gesagt: World of Goo ist auch fast zehn Jahre nach seinem erstmaligen Release einer der besten und faszinierendsten Puzzler aller Zeiten. Das stimmungsvolle Design mit seiner überzeugenden Präsentation ergänzt das intuitive Gameplay. Dank freiem Spiel, Online-Ranglisten-Support, dem ZKV und einem Mehrspieler-Modus ist auch in Sachen Langzeitmotivation alles im grünen Bereich. Einziger Nachteil: Ihr könntet süchtig nach dem Goo werden und wollt immer mehr davon. Nur leider ist das Spiel nicht mehr neu und wer es bereits kennt, vermisst auch gänzlich neue Inhalte. Ein Kaufgrund für die Switch ist das Spiel zwar bei Weitem nicht, bereichert das Line-Up aber dennoch um einen hervorragenden Titel. Für das geringe Geld sollten aber zumindest alle im eShop zuschlagen, die auf obskure Puzzles stehen und World of Goo – aus welchen Gründen auch immer – bisher verpasst haben.

Bewertung

9.0
Gesamt
8.5
Mehrspieler

Hervorragend


Kurzfazit

„Schleimiger Puzzle-Klassiker mit einzigartigem Artstyle“

Markus Schnittka

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